Der Bogenstrich – grundlegende Betrachtungen

Bogenstrich? Was machst Du eigentlich, wenn Du auf Deinem Instrument streichst? Oder anders gefragt: wie geht das eigentlich, dass der bogen die Saite anstreicht?

„Was für eine Frage?“ Hör ich Dich schon sagen. – Ja klar, es ist doch denkbar einfach:

Du bringst mit Deinem Bogen die Saite zum Schwingen, daraus entsteht dann der Ton, der aus Deinem Instrument heraus kommt.

Aber weißt Du auch, dass Du mit Deinem Bogenstrich den Ton aktiv gestaltest? Und dass das anhand von verschiedenen Komponenten passiert, die bei Deinem Spielen eine Rolle spielen.

Ich möchte Dir daher heute ein paar Gedanken und Vorstellungen mit auf den Weg geben, die, wie ich hoffe, Dir den Zugang zu einem freien und gefühlvollen Spiel erleichtern werden. Meiner Überzeugung nach bekommt man einen viel besseren Bezug zum Instrument, wenn man  mit einem umfassenden Verständnis an die Sache heran geht.

Der Bogenstrich in seiner eigentlichen Funktion

Betrachten wir als erstes die Aufgabe, die der Bogen beim Spielen eines Streichinstruments zu erfüllen hat. „Ist doch klar“ wirst Du sagen: „er soll die Saite anstreichen und durch Reibung zum Klingen bringen.“

Vollkommen richtig! Unser Bogen ist mit Pferdehaaren bezogen, rauen Haaren. Mit Haaren von mongolischen Schimmeln im besten Fall. Diese Haare werden zusätzlich mit einer Art Harz , dem sogenannten „Kolophonium“ bestrichen. Mit dieser Ausrüstung sind die Pferdehaare nun wirklich bestens geeignet, eine Saite „anzureiben“ und so zum Schwingen zu bringen.

Der Bogen wird im Bereich zwischen Griffbrett und Steg des Instruments auf die Saite gesetzt, und quer darüber geschoben und gezogen. Damit eine Saite nun ins Schwingen gebracht werden kann, kommen zwei Faktoren ins Spiel: Der Bogen muss mit einem ganz bestimmten Andruckgewicht auf der Saite liegen, und er muss in einer ganz bestimmten Geschwindigkeit über die Satie ziehen.

Wie hoch dieses Gewicht oder die Geschwindigkeit beim Bogenstrich ist, hängt zum Einen von der Saite und zum Anderen vom Charakter des Tons ab, den wir gestalten wollen.

Das Bogengewicht

Die Saite: Abhängig davon, wie dick und wie lang eine Saite ist, hat sie eine bestimmte Masse, die zum Schwingen gebracht werden soll. Und je mehr Masse eine Saite hat, desto schwerer wird sie in Schwung kommen. Daher brauchst Du für eine schwerere Saite (also einer tieferen Saite oder einer Saite von einem Cello oder Kontrabass) prinzipiell mehr Andruckgewicht. Außerdem wirst Du spüren, dass die Saite eine gewisse Trägheit beim Anstreichen hat. Es wird sich für Dich anfühlen, dass der Bogen von der Saite beim Anstreichen gebremst wird.

Eine kurze, dünne Saite hingegen (Extrembeispiel: die E-Saite auf der Geige) wird eher leicht anzustreichen sein. Sie verträgt nicht so viel Bogengewicht wie die schwerere, tiefere Saite. Du wirst eher damit zu tun haben, dass Du ihren Ton nicht mit zu viel Bogengewicht „erdrückst“.

Merkst Du etwas? Es geht hier um eine sehr differenzierte Angelegenheit. Du wirst Dich beim Streichen auf die verschiedenen Saiten einstellen müssen.

Die Bogengeschwindigkeit und die Kontaktstelle

Ein weiterer Punkt kommt hinzu. Je nachdem, wo Du die Saite anstreichst, reagiert sie verschieden träge. Die Saiten aller Streichinstrumente laufen am Korpus über den Steg, der sozusagen das Ende der schwingenden Saite darstellt und die Schwingung auf den Resonanzkörper überträgt.
Streichst Du nun nahe an diesem Steg mit dem Bogen, wird die Saite sehr träge und Du kannst dort mit relativ viel Bogengewicht und sehr langsamer Bogengeschwindigkeit einen recht kernigen deutlichen Ton erzeugen. Setzt Du den Bogen in größerer Entfernung zum Steg auf die Saite, wird sie wesentlich leichter anzustreichen sein, und es entsteht bei größerer Bogengeschwindigkeit ein leichter Ton.

Bogenstrich nahe am Steg

Nahe am Steg gestrichen

Bogenstrich am Griffbrett

Kontaktstelle weiter vom Steg entfernt

Diese verschiedenen Möglichkeiten, eine Saite mit dem Bogen zu behandeln, sind Dein Gestaltungswerkzeug. Mit ihnen gestaltest Du den Klang Deines Instrumentes. An der Stelle, an der der Bogen die Saite berührt, entsteht die Musik. Dies ist der Punkt an dem der Ton gestaltet wird. Dort wirst Du spüren, wie sich die Saite anstreichen lässt, wie laut und mit welchem Charakter der Ton entsteht. Man nennt diese Stelle die „Kontaktstelle“.

Wie gehst Du nun mit dem Bogen um?

Damit Du an dieser Stelle den Ton bewusst gestalten kannst, sollte Dein Bogengriff verschiedenen Anforderungen genügen:

  1. Du solltest den Bogen so in die Hand nehmen, dass Du durch Deine Finger hindurch, sogar durch den ganzen Arm hindurch, spürst, wie die Saite angestrichen wird. Gefühlvoll willst Du den Ton gestalten. Du musst Du lernen zu spüren, was Du von der Saite und dem Instrument verlangen kannst. Das hat nichts mit „leicht säuselndem“ Spiel zu tun, sondern einfach mit der Möglichkeit, die verschiedensten Klänge aus dem Instrument heraus zu bekommen. Und dieses schaffst Du dadurch, dass erstens Deine Finger den korrekten Platz an der Bogenstange einnehmen.
  2. Als zweites sollten die Gelenke Deiner Finger immer in leicht gekrümmten Stellungen stehen und in beide Richtungen beweglich sein.
  3. Die dritte Forderung dabei ist, dass Du den Bogen nicht fest hältst wie einen schweren Gegenstand, sonder leicht an die Saite hältst. Aber diese ist Thema eines ganzen anderen Blogartikels.
  4. Lerne, mit dem Bogen genau im 90 Grad Winkel über die Saite zu streichen. Eine Saite schwingt genau quer zu ihrer Längsausrichtung. Und in dieser Richtung wird sie auch am besten anzustreichen sein, wenn die Richtung der Bogenbewegung in genau dieser Schwingungsrichtung liegt. Außerdem wird der Bogen nur im 90 Grad Winkel auf der Saite beim Streichen seinen Abstand zum Steg halten können. Du weißt ja: von diesem Abstand hängt die Qualität Deines Tons ab. Würde sich der Bogen beispielsweise beim Streichen vom Steg weg bewegen, würde der Ton schon während seiner Dauer schwächer werden.
Bogenstrich schief

„schief“ gestrichen

Bogenstrich gerade

„gerade“ gestrichen

„Puh, das hört sich aber kompliziert an“ wird jetzt vielleicht Dein Gedanke sein.

Aber weißt Du, was das Schöne ist?

Du wirst Stück für Stück an die Sache heran gehen. Zunächst lernst Du einen Bogengriff, der es dir erlaubt, mit dem Bogen als einem wirklichen Tastwerkzeug umzugehen. Dann lernst Du zu spüren, was Dein Bogenstrich auf der Saite macht.
Am Ende wirst Du lernen, mit dem Bogen wirklich „gerade“ (also quer zur Saite) zu streichen. Und darüber wirst Du mehr und mehr merken, wie Du die Gestaltung des Tons wirklich in der Hand hast.

Ausblick

Und Du kommst dahin, es zu genießen, das, was Du fühlst, auf dem Instrument hörbar zu machen. Du wirst mit der Zeit in einen Fluss geraten, in den ständigen Kreislauf von musikalischer Vorstellung, gefühlvollem Umsetzen der Sache und dem Hören des Resultats Deiner Intention. Und wenn Du das am Ende noch gemeinsam mit anderen tust, dann ist der Freude an der Sache keine Grenze mehr gesetzt.

So, das war diesmal eine etwas allgemeinere Betrachtung dessen, was auf Dich zukommt, wenn Du einen Guten Bogenstrich erlernst.

Wie nun die Handhabung des Bogens auf den verschiedenen Instrumenten genau funktioniert, das erkläre ich Dir in weiteren Beiträgen

Einstweilen herzliche Grüße,

Felix Seiffert

8 Kommentare

  1. Danke für Dein ganz sensibles erklären! Es ist mit soviel Liebe und Gefühl ausgedrückt , dass ich als Anfängerin wirklich weiß worum es geht , und in mein E Celloübungen besser intensiver langsamer hineinhalten kann Vielen Dank lieber Felix

    • Felix Seiffert

      Und danke für das Lob.

      Ich denke, wenn man von außen ein wenig über die Zusammenhänge weiß, dann kann man sich auch besser hinein fühlen.

      herzliche Grüße

      Felix Seiffert

  2. Norbert

    Vielen Dank für deine Anregungen und eine Frage: Im Musikhandel gibt es so Gestelle, die man auf die Geige spannen kann, und die einen förmlich dazu zwingen, den Bogen im rechten Winkel zu den Saiten zu streichen. Hast du oder hat wer im Forum Erfahrung mit solchen Gestellen? Bevor ich mir so etwas zulegen würde ich gern eure Meinung dazu einholen.

    • Felix Seiffert

      Hallo Norbert,

      ich selbst habe ein solches Gestell nie benutzt, sondern eher den guten alten Spiegel. Aber ich kann es mir sehr gut vorstellen dass dieses Gestell einen zur richtigen Vorstellung der Strichrichtung bringt.

      Wichtig ist dabei, dass Du sehr aufmerksam in den Arm hinein spürst und ein Gefühl dafür entwickelst, in welche Richtung genau das Gestell Deinen Bogen führt.

      herzliche Grüße

      Felix Seiffert

  3. Dziuba, Annett

    Hallo,
    ich habe ein wundervolles Cello geschenkt bekommen und möchte dieses Instrument gerne spielen lernen. Ich spiele Saxophon,was mir natürlich in der Praxis des Cello spielens nicht wirklich hilft. Ich habe meinen Bogen mehrfach mit Kolophonium bestrichen,aber kann aber bisher dem Instrument keinen Ton entlocken. Ich bin für jede Hilfe und Anregung dankbar.

    • Hallo Annett,

      Das ist ein bisschen schwer, Dir da rat zu geben, wenn ich Dein Spiel weder hören noch sehen kann. Aber wenn du Dir auf dieser Seite einmal die Artikel zum Streichen auf dem Cello alle durchliest und dir die Videos ansiehst, wirst Du wahrscheinlich drauf kommen.

      ganz herzliche Grüße

      Felix Seiffert

  4. Michael Tewes

    Dies ist ein sehr hifreicher Beitrag, vielen Dank!
    Die angesprochene Thematik begegnet mir auf dem Cello immer wieder neu und die Suche nach einem schönen und bewusst gewählten Ton bleibt eine permanente Aufgabe.

    • Hallo Michael,

      vielen Dank für Deinen Beitrag. Ja, es ist wirklich so, vielleicht kam das im Artikel nicht ganz rüber: Das aktive Erspüren des richtigen Tons ist definitiv eine Eigenschaft, die wir uns zueigen machen und immer weiter verfeinern, wenn wir unser Instrument spielen und unser Können immer mehr verfeinern.

      herzliche Grüße

      F.S.

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