Bogengewicht und Geschwindigkeit

Haben Sie es auch schon erlebt, dass Sie sich wundern, wie andere Leute es schaffen, ihr Instrument frei und leicht klingen zu lassen, während Sie selbst sich abmühen und das Resultat immer noch nicht Ihren Wünschen entspricht?

Heute möchte ich Ihnen einmal eine physikalische Tatsache nahe bringen, die Sie auf allen vier Streichinstrumenten finden.

Gehen wir einmal davon aus, dass sie einen wohlklingenden Ton auf Ihrem Instrument erzeugen wollen, der weder kratzt, noch pfeift oder irgendwie erdrückt klingt.
Um so einen Ton zum Klingen zu bringen ist es nötig, dass Sie sich folgende Gegebenheiten klar machen.

Sie brauchen, wenn Sie die Saite anstreichen, ein gutes Verhältnis zwischen Andruckgewicht und der Bogengeschwindigkeit. Nur wenn sie hier in einem bestimmten Rahmen bleiben, hat Ihr Instrument die Möglichkeit, frei und wohlklingend zu schwingen.

Geben Sie mehr Gewicht mit Ihrem Arm auf den Bogen, als es der Saite gut tut, wird sie gepresst klingen. Geben Sie hingegen zu wenig Gewicht auf den Bogen, wird er die Saite nicht richtig zum schwingen bringen können. Er „wischt“ dann über die Saite, die dann eher pfeift und unschöne Geräusche von sich gibt, als in ihrer vollen Klangschönheit zu schwingen.
Ähnlich verhält es sich mit der Geschwindigkeit des Bogens. Streichen Sie zu langsam, wird der Ton „abgequält“, schlimmstenfalls bricht er ganz ab. Streichen Sie hingegen zu schnell für die Saite, dann entsteht dieses „Wischen“ das ich oben schon für den Fall des Streichens mit zu wenig Gewicht beschrieben habe.

Und zudem ist die ganze Sache von der „Kontaktstelle“ abhängig, also der Stelle an der der Bogen auf der Saite liegt. Das unten stehenden Video demonstriert Ihnen, dass es möglich ist, einen Ton nahe am Griffbrett mit wenig Bogengewicht aber hoher Geschwindigkeit anzustreichen, der dann auch entsprechend etwas leiser, dünner und leichter klingt.
Streicht man hingegen nahe am Steg, findet man ganz andere Gegebenheiten vor. Hier stellt einem die Saite einen ganz anderen Widerstand entgegen. Sie können dort nur sehr viel langsamer streichen, können dabei mehr Gewicht auf die Saite bringen und der Ton klingt laut und voll.

Sie sehen schon, klangvoll schön streichen ist eine Art Gratwanderung. Es wird darauf ankommen, dass Sie mit der Zeit Ihre Bogenführung immer mehr in der Richtung verfeinern, dass Sie durch den Bogen hindurch spüren, wie Ihr Bogen die Saite anstreicht.

Das ist zunächst nicht selbstverständlich. Sie müssen lernen mit der Zeit den Bogen so zu führen, dass Sie möglichst alles „Festhalten“ am Griff beenden und sich nur noch mit dem Bogen auf die Saite stützen um dann wirklich zu spüren, wie die Saite angeht.
Stellen Sie sich einmal vor wie viel Gefühl dazu gehört, mit dem Pinsel eine feine gleichbleibende Linie auf ein Papier zu malen. So in etwa ist das schon, wenn man einen Ton streicht. Und das lernt man schon, nur braucht es seine Zeit, und man wird zeitlebens um genau dieses beim Streichen bemüht sein.

Aber sehen Sie sich einmal das Video an.

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Hier noch einmal das Wichtigste in Kürze

  • Streichen Sie mit dem Bogen schnell, klingt der Ton frei und leicht, wenn sie nahe am Griffbrett streichen.
  • Möchten Sie einen langgezogenen Ton anstreichen, dann streichen Sie nahe am Steg. Dort bietet die Saite dem Bogen mehr Widerstand und klingt auch lauter, wenn man sie anstreicht.
  • Streichen Sie bitte mit „runden“ Fingern. Ihre Finger müssen flexibel sein, um beim Streichen wirklich spüren zu können, wie der Bogen auf der Saite liegt und wie viel  Widerstand sie im Moment bietet. Außerdem sollten Sie nicht nur hören, sondern auch spüren, ob die Saite frei klingt.
  • Das Gebot mit den runden Fingern gilt insbesondere für den rechten Daumen. Nur wenn er gekrümmt auf seiner vordersten Spitze steht, kann er durchlässig und flexibel sein, und der Hand ermöglichen, nicht den eigenen Griff zu spüren, sondern die Ansprache der Saite.

Und damit wünsche ich Ihnen ein frohes Experimentieren auf Ihrem Instrument.

herzlichst

F.Seiffert

 

14 Kommentare

  1. Hallo Felix,

    vielen Dank für diesen Beitrag und dem tollen Video.
    Ich lerne erst seit kurzem Cello und meine Lehrerin hat mir die Zusammenhänge die du hier beschreibst bereits in einer der ersten Stunden erklärt. Trotzdem saß ich vor kurzem an einem leichten Stück bei dem die Intonation für meine Ohren schon sehr passend war und trotzdem klang es nie wirklich „rund“. Nach dem Lesen deines Beitrages hab ich mich nur auf diese Themen konzentriert und es ist wie Tag und Nacht.
    Nochmals ein großes Dankeschön!

    • Felix Seiffert

      Hallo Gerald,

      das freut mich sehr! Mach Dir bitte keinen Kopf darüber, wenn etwas nicht gleich geht, nachdem Du das erste Mal darüber etwas erfahren hast. Dies ist ganz normal und kann auch nicht anders gehen. Denk mal an wie viel Dinge Du gerade am Anfang alles denken musst. Da geht einmal das eine oder andere unter. Mit der Zeit sortiert sich alles.

      Viel Freude weiterhin bei Deinem Start wünscht Dir

      Felix Seiffert

  2. Birgit Seefelder

    Lieber Felix,
    grundsätzlich ist mir an sich klar, was hier zu Kontaktstelle, Bogengewicht und -schnelligkeit gesagt wird. Beim Spielen finde ich es aber ungemein schwierig, alle Aspekte miteinander in Einklang zu bringen, da schließlich alles richtig zusammenwirken soll: z.B. muss die Lautstärke (je näher am Steg, desto voluminöser der Ton) ja trotzdem zum jeweils geforderten Tempo passen (je schneller der Bogen streichen soll, desto näher rückt er doch dem Griffbrett? Wobei beim schneller Streichen auch die Lautstärke zunimmt, oder?). Zudem möchte man ja einen weichen Saitenwechsel bewerkstelligen, was mir zunehmend schwerer fällt, je mehr ich mich dem Steg nähere … So passiert es mir ständig, trotz Kontrolle per Spiegel, dass ich nach wenigen Takten intuitiv viel zu nahe am Griffbrett streiche, weil ich da das Kratzen am ehesten vermeiden kann, ebenso wie einen unschön hörbaren Saitenwechsel. Zusätzlich spielt schließlich noch die Bogenlänge (schnell –> kurz/langsam –> lang) mit hinein. Wie schafft man es denn bloß, das alles gleichzeitig zu berücksichtigen ??? Dabei war von verschiedenen Stricharten, vom korrekten Intonieren/Greifen, gar von musikalischer (Ton- )Gestaltung noch gar nicht die Rede … HILFE ( :-/ – Ich persönlich glaube ja, Streicher und insbesondere Cellisten sind alle Genies 🙂 … )! Wie kann man sich „übungstechnisch“ mit diesem Problem auseinandersetzten? Wie bewerkstelligt man es also z.B., schnell und laut zugleich zu spielen, ohne dass es kratzt? Pardon für die lange Frage … und viele Grüße Birgit

    • Felix Seiffert

      Hallo Birgit,

      ja, ein umfangreiches Thema. Aber ich kann Dich beruhigen: ein Genie muss man nicht sein.

      Wir Du richtig bemerkt hast, wird es immer schwieriger, gerade weiche Bogenwechsel hin zu bekommen, je näher man am Steg streicht. Das hängt einfach damit zusammen dass die Saite zum Steg hin immer träger wird.

      Stelle Dir bitte grundsätzlich folgendes vor. Du kannst beispielsweise eine Folge von Achtelnoten weich hin und her in der Nähe des Griffbrettes spielen. Dort wirst Du vielleicht merken, dass es Dir sehr wohl gelingt die Töne weich zu wechseln. Wenn Du es jetzt etwas näher am Steg versuchst, mache Dir klar, dass Du in der gleichen Zeit nur noch eine geringere Bogenstrecke über die Saite mit dem Bogen fahren kannst. Der Ton lässt sich ja dort nur langsamer streichen. Dies führt also für jeden Ton zu einer kleineren Bogenbewegung.

      Und wenn Du dies noch weiter am Steg probierst, wird die Bogenbewegung noch kleiner. Bitte versuche es einmal, zum Beispiel auf einer leeren Saite. Du wirst mit der Zeit herausbekommen, wie viel Bogengeschwindigkeit Du geben kannst ohne die Saite zu überfordern. Darüber werden Dir am Ende auch Bogenwechsel die nicht „kratzen“ gelingen.

      ganz herzliche Grüße

      Felix Seiffert

      • Lieber Felix,

        ganz vielen Dank für Deine Geduld und die Tipps. Ich bin gespannt, ob ich das hinbekomme (es schadet wahrscheinlich nicht, wenn man etwas geduldiger an die Sache herangeht, als ich das gemeinhin tue ;-/) …

        Viele Grüße

        Birgit

        • Felix Seiffert

          Hallo Birgit,

          ja, die Geduld zu üben ist eine der Sachen, bei denen sich viele schwer tun. Ich habe auch dazu gehört. Es zahlt sich aber immer aus, die Dinge gründlich und mit Geduld zu üben. Das Resultat wird einfach deutlich besser.

          herzlichen Gruß

          Felix Seiffert

  3. Lieber Herr Seifert,

    Ich bin erst 72 Jahre alt und freue mich gewaltig mit Ihrer Hilfe mir noch viele „klingende“ Stunden zu schenken…Geige spiele ich allerdings schon 50 Jahre, aber auch damit kann man ja nie auslernen.
    Ein rechter Mittelfinger der nicht ueber den Stock greift, sondern obenauf liegt, was waere der Nachteil in einem solchen Fall?
    Hat mir gefallen von dem Vergleich mit dem Pinsel zu hoeren, da ich eigentlich Kunstmalerin bin.
    Herzlichen Dank fuer Ihre sehr einleuchtende Anleitung!

    Cornelia Holm

    • Liebe Frau Holm,

      Vielen Dank für Ihre Zuschrift.

      Der Mittelfinger der rechten Hand ist zusammen mit dem Ringfinger dafür zuständig, die „Kantung“ des Bogens zu führen. Die Kantung ist der Winkel in dem Der Bogen auf der Saite steht. Genaugenommen geht es dabei um die Frage, ob alle Haare geleichmäßig oder nur einige wenige auf der Saite liegen. Dies hat wieder Einfluss auf die Gestaltung des Klangs.
      Wenn Sie nun den Finger oben auf die Stange stellen, kann er diese Funktion nicht ausüben, da er Kontakt mit der Unterkante ds Frosches braucht. Besser wäre es daher tatsächlich, dden Finger ganz über die Stange hinunter zum Frosch fallen zu lassen. Außerdem wäre diese Haltung für die ganze Hand deutlich entspannter.

      Auch wenn ich Sie dadurch aus Ihrer lieben gewohnheit etwas herasureißen muss, ganz herzliche Grüße

      Felix Seiffert

  4. Antje Herrling

    Oh großartig! Genau hier wurden viele meiner Fragen beantwortet im Bezug auf das streichen. DANKE wie immer! … so jetzt übe ich mal weiter! 😉

    • Ja, das sind so die klienen Dinge, mit denen man fast verzweifelt und sich wundert warum es einfach ncith klingen will. Ich glaub es ist wirklich wichtig, glaich am Anfang von diesen Dingen etwas zu erfahren.
      Das Instrument zum Klingen zu bringen soll doch von Anfang an eine angenehme Erfahrung sein.

      herzlichst

      F.Seiffert

  5. Dr. Rainer H. Glas

    Sehr geehrter Hr. Seiffert, Ihr Beitrag hat mir sehr geholfen und ich habe endlich verstanden, warum bestimmte Klangmuster nicht anders „passieren“ koennen – ich bin am Beginn meiner Cello Leidenschaft (2. Monat), die ich erst mit 49 Jahren starten konnte und hoffe, noch einige Beiträge von Ihnen sehen/hoeren zu koennen. Herzliche Gruesse, RH Glas

    • Sehr geehrter Herr Dr Glas,

      vielen Dank für Ihr Interesse! Ja es ist wirklich so, die Zusammenhänge sind eigentlich ganz einfach und für jedermann erkennbar. Nur muss man drauf gestoßen werden, und schon geht die Sache mit etwas Verständnis leichter.

      Vielleicht wird sie daher der folgende Artikel auch interessieren. Hier wird es wirklich wichtig für Ihr Greifen, egal, wie weit Sie bereits sind auf dem Instrument sind.

      http://bogenbalance.de/blog/?p=991

      Und falls Sie allgemeine Einführungsinformationen wünschen und Videos, die sie so nich tauf derm Blog zu sehen bekommen dann finden Sie unten die Eingabemaske für den kostenlosen Newsletter.

      herzliche Grüße

      Felix Seiffert

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