Antwort auf: Musikalischer Ausdruck

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Katta Katta
Teilnehmer

Liebe Katrin,

zu aller erst, ich kenne das. Um ehrlich zu sein, befinde ich mich in einer ähnlichen Situation. Ich bin momentan relativ frustriert mit mir und meinem Cello und daran sind neben dem Vivaldi Concerto RV 531 auch zwei Tonaufnahmen Schuld. Natürlich ist der eigentliche Grund mein Anspruch.
Ich hatte mich aufgenommen um zu kontrollieren, wie meine Bogenwechsel klingen. Die waren für meinen Geschmack sogar okay. Aber der Ton war so ruckelig und ungleichmäßig und die Intonation eine Katastrophe. Ich probiere mir einzureden, dass es an der Aufnahmequalität meines Handys liegt und dass es viel zu nah am Cello lag. Aber das wirkt nicht.
Die zweite Hürde ist das oben besagte Werk. Für alle, die es nicht kennen https://www.youtube.com/watch?v=OPMZBMdzE84 . Das ist Hausaufgabe über die Sommerferien.*Seufz* Es ist so schön, aber ich finde keinen Anfang. Rhythmisch ist es ok. Aber den technischen Anspruch finde ich zu hoch für mich. Wenn ich es anfange zu spielen, klingt es, selbst in meinen Ohren (ohne Aufnahme), gruselig. Hat das schonmal jemand gespielt? Ich fühle mich damit allein gelassen. 🙁

Ich denke aber, dass dieser Frust eigentlich die erste Stufe einer Entwicklung ist. Schließlich hören wir, dass etwas nicht stimmt, noch nicht klingt, noch verändert werden könnte. Das ist der erste Schritt, es zu verändern. Das heißt, eigentlich sollten wir mit diesem Zustand sehr wohlwollend umgehen. Ich weiß, leichter gesagt als getan.
Das klingt in der Tat etwas überfordernd, was du von deiner Stunde berichtest :/ Ich habe leider nicht so viele/gute Ideen, wie man Gestaltung zerlegen könnte.:( Felix sagt ja, es soweit zerlegen, dass es nicht überfordern kann.
Die Idee mit dem Singen halte ich für hilfreich. Schließlich erfährst du so, wie du phrasierst, was du betonst, und kannst leicht mit deiner Stimme modulieren. Wenn du eine klare Idee von dem hast, wie du es spielen wirst, wird dir, so denke ich, auch das wirkliche Spielen leichter fallen.
Zeichne dir die Phrasen ein. Es kann auch helfen sich einzelne Phrasen herauszugreifen und sie einzeln zu üben. Also auch diese Phrase mehrfach unterschiedlich zu spielen und zu schauen, was einem mehr zusagt. Vielleicht ist ja dein Empfinden bei dem Stück auch ein ganz anderes als das deiner Lehrerin.
Mir helfen innere Bilder, wenn ich versuche bestimmte Stimmungen zu erzeugen. Das muss auch nichts mit dem Stück zu tun haben. Im 3. Satzes von Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ denke ich z.B. an einen glatten, spiegelnden Ozean, so kann ich die benötigte Ruhe auch klanglich erzeugen. Mir gelingt das auch nicht immer.
Großartig ist es, wenn man sich mit seinem Lehrer über das Empfinden und die Bilder austauschen kann.
Das stärkt mich in meiner Annahme, dass Musizieren etwas mit dem Zusammenbringen von Körper (insbesondere den Ohren), Geist und Seele zu tun hat. Warum sonst sagt, man spiele mir vor und ich sage dir, wie du dich fühlst. 🙂

Hier ein paar Videos von Paul Katz, der viel den Gestaltungsaspekt probiert zu beleuchten.

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Noch ein Hinweis, ich habe die Erfahrung gemacht, dass manches einfach mal ruhen muss. Gerade was diese gestalterische Arbeit angeht. Manchmal muss ich das Stück wirklich mal eine Zeit (Bei mir 1-2 Wochen) weglegen. Dann habe ich A meist richtige Freude, es wieder herauszuholen und B habe ich gefühlt einen selbstverständlicheren Zugang und manches funktioniert einfach – wie mit der Inkubationszeit von Krankheiten, nur dass das hier schöner ist ;=

Wie würde ich anfangen?
1) Singen
2) Phrasen markieren
3) Phrasen ausprobieren
4) zu den Phrasen Bilder oder Stimmungen, oder wonach es dir beliebt finden
5) Brücken von Phrase zu Phrase bauen
6) üben
und bitte das Fühlen, Genießen und Freuen nicht vergessen 😉

So, ich hoffe, das hilft dir und macht dir etwas Mut.
Und obwohl ich dir das geschrieben habe, habe ich keinerlei Motivation es jetzt bei meinem Vivaldi umzusetzen *Asche über mein Haupt*

Liebe Grüße und nur Mut,
Katta