Fehler – Warum sie Dein größtes Geschenk sind
Inhalt
Kennst Du das?
„Wenn ich übe, dann spiele ich mein Stück, bis ich keine Fehler mehr mache, und dann kann ich das Stück.“
oder:
„Wenn ich das jetzt nicht ohne Fehler hin bringe, dann bin ich einfach unbegabt und sollte es besser sein lassen.“
oder sogar:
„Wenn ich das in der Unterrichtsstunde nicht kann, macht mich der Lehrer auf meine Fehler aufmerksam und mein Selbstwertgefühl rauscht in den Keller.“
auf einen einfachen Nenner gebracht:
“Wenn ich Fehler mache, ist das schlecht, ich fühle mich nicht gut und beim Spielen ist der Wurm drin. Mein ganzes Tun ist zu hinterfragen.”
Ich weiß nicht, wie es Dir geht. Aber ich bin leider so aufgewachsen. In der Schule, im Instrumentalunterricht, überall bestand dieser latente Druck. Und ich kann nicht sagen, dass dies für den Fortschritt mit meinen Fähigkeiten wirklich förderlich war. Aber eines kann ich sagen: es geht vielen so!
Ich glaube, wenn Du musizieren willst, dann ist es Zeit mit diesen Vorstellungen gründlich aufzuräumen. Du machst Dich sonst unglücklich.
Natürlich soll Musik weitestgehend so zum Ausdruck gebracht werden, wie sie sich ein Komponist, oder Du als Spieler vorgestellt hast. Daran besteht gar kein Zweifel.
Aber der Weg dahin geht über Fehler!
Du hast gerade richtig gelesen.
!!! Der Weg dahin geht über Fehler !!!
Fehler sind Deine größten Lehrer, sie sagen Dir mehr als jeder Instrumentallehrer. Sie sind Dein ständiger Begleiter, und geben Dir mit absoluter Genauigkeit Auskunft über den Fortschritt Deines Spielens.
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Mehr InformationenWas sind Fehler?
Stell Dir vor, Du übst etwas Neues ein. Vielleicht kennst Du das Stück vom Hören, wahrscheinlich musst Du es Dir aber aus Noten erschließen.
Es passieren jetzt mehrere Dinge gleichzeitig:
- Du schaffst Dir eine lebendige Vorstellung wie das Stück klingen soll.
- Du merkst Dir dabei den Notentext.
- Du kannst mit der Zeit das Stück innerlich hören.
Aber es geht noch weiter, Du willst das Stück ja am Instrument umsetzen.
- Du gewöhnst Dir beim Greifen bestimmte Bewegungen an, die Dich von Ton zu Ton führen
- Du streichst das Stück auf eine bestimmte Weise, damit es klingen kann.
Und das ist ein Prozess. Du wirst ganz bestimmt nicht vom ersten Augenblick bei diesem Stück alles richtig machen. Die Dinge müssen sich entwickeln.
Und wie entwickeln sie sich?
In dem Du es immer wieder probierst. Du spielst eine Stelle und merkst, dass sie noch nicht so klingt, wie sie soll. Dabei hörst und fühlst Du genau hin und versuchst herauszubringen, was genau da nicht stimmt. Ja, Du machst Fehler, ständig und immer wieder.
Und nicht nur Dein technisches Spielen verbessert sich dabei immer mehr. Du wirst auch merken, dass sich Deine Vorstellung von dem Stück immer mehr verfeinert. Deine Vorstellung entwickelt sich, und damit Dein Anspruch an Dein Spielen.
Und den versuchst Du nun am Instrument umzusetzen und wirst wieder „Fehler“ machen. so lange bis Du zu einem Ergebnis kommst und am Ende sagen kannst. „So jetzt gefällt es mir.“
„Try and error“ nennt man das Ganze. Durch das ständige Vergleichen des hörbaren Ergebnisses mit Deiner Vorstellung kommst Du beim Üben Deinem Ziel immer näher.
Aber warum passieren nach vielem Üben denn immer noch Fehler?
Lass mich mal einen gewagten Satz formulieren:
Deine Finger und Deine Hände tun alles das, was Dein Geist ihnen vorgibt.
Aber was tun sie, wenn sie keine klare Vorgabe durch den Geist haben? Dann hängen sie in der Luft. So einfach ist das.
Versuche einmal an einer Stelle an der Du einen Fehler machst, die Sache durch Deine Vorstellung laufen zu lassen.
Stelle Dir dabei lebendig vor, wie sich das was Du gerade spielst anhört. Stelle Dir vor, welche Bewegungen Du dabei machst. Stelle Dir auch die Noten dabei vor, die Du gerade spielst.
Und dann kommst Du zu der Stelle an der Du gerade den Fehler gemacht hast.
Hast Du es gemerkt?
Ganz bestimmt hat Deine Vorstellung an der Stelle eine Lücke gehabt. Ganz bestimmt stand ein Finger nicht richtig, oder Du hattest keine klaren Überblick, was Dein Bogen gerade streicht. Oder Du hattest eine falsche Vorstellung wie das klingen soll, was Du da gerade spielst.
Auf jeden Fall kann Dir Dein Bewusstsein nun sehr genau Anregungen geben, was hier zu verändern ist, wenn Du an Dein gewünschtes Ziel kommen willst.
Versuche doch einmal, hier die Vorstellung zu korrigieren. Versuche Dir genau vorzustellen wie es sich zum Beispiel anfühlt, wenn Dein Finger jetzt auf der richtigen Saite steht. Baue dieses Gefühl in Deine Vorstellung ein.
Und dann versuchst Du noch einmal zu spielen. Wenn es dann immer noch nicht klappt, machst Du es beim Spielen. Halte an der Stelle an, die nie funktioniert hat. Und jetzt überlegst Du Dir was Du tun willst. Du stellst Deinen Finger richtig auf. Dabei entwickelt sich das Gefühl das Du später in Deine Vorstellung der Sache einbauen kannst.
Und dann probierst Du wieder und kommst vielleicht über die Stelle. Die Lücke ist geschlossen.
Nun kommt der letzte Schritt:
Nachdem Du die Lücke geschlossen hast, wiederholst Du die Passage und trainierst Dir die Sache so ein. Man sagt dass 7 bis 9 Wiederholungen genau der gleichen Sache dazu führen dass Du am nächsten Tag eine recht gute Sicherheit hast, dies aus dem Unterbewussten heraus einfach zu „können“.
Das variiert natürlich. Mancher braucht auch Wiederholungen an den Folgetagen, aber das System funktioniert garantiert. Pass nur wirklich auf, dass das was Du wiederholst mehrmals wirklich genau gleich gespielt wirst. Was soll sich denn das Gehirn sonst merken.
Übrigens gibt es zu genau diesem Thema einen eigenen Blogbeitrag: Üben – oder warum Gummibärchen eine echte Hilfe sind
Fazit:
Hast Du gemerkt warum Du Dich überhaupt nicht verstecken musst wenn Du Fehler machst? Sie sind das Mittel für Dich, zum Fortschritt an Deinem Instrument zu kommen.
Der Prozess des Lernens geht über Fehler. Fehler decken die Lücken zwischen der Vorstellung der Musik und ihrer Ausführung auf. Und Deine Chance ist es nun, produktiv mit diesen Informationen umzugehen.
Damit wünsche ich Dir alles Gute und gute Erfahrungen beim Üben.
herzlichst
Felix Seiffert
Hallo Felix,
vielleicht ist das hier dein wertvollster Beitrag überhaupt. Denn das Erlernen eines Instruments geht nicht ohne Fehler und wer sich dessen bewusst wird, der kann mit Fehlern umgehen, im besten Fall sich sogar darüber freuen und behält die Motivation. Auch die größten Meister haben etliche Fehler gemacht.
Noch wichtiger aber finde ich aber den Umgang mit Fehlern, den du hier aufzeigst. Eine gesunde und positive Fehlerkultur hilft in allen Bereichen des Lebens. Es beginnt damit, Fehler anzunehmen und sich eben nicht dafür zu schämen oder darüber zu grübeln, was der Lehrer oder die Lehrerin denken könnte. Das ist eine innere Einstellung und manchmal ist es schwer, dahin zu kommen. Weil wir in der Kinderheit, in der Schule, im Beruf so geprägt wurden. Da eine Änderung herbeizuführen, ist sehr schwer, aber auch sehr lohnenswert!
Deshalb finde ich den Beitrag absolut wertvoll.
Danke und liebe Grüße
Irene
Liebe Irene,
vielen Dank für Dein wertschätzendes Feedback. Was Du ansprichst, spricht mir buchstäblich aus der Seele.
Was haben wir in der Schule doch in dieser ständigen Erwartung und auch Befürchtung gelebt, wie unser Verhalten oder Können den bewertet wird. Und – ich muss sagen, in der Musik war es oft nicht anders. Dabei ist “Bewerten” meiner Ansicht nach kein Mittel um wirklich gut voran zu kommen.
Wohl sollte man klar schauen, wo man ist, aber das ist doch kein Grund, sich zu bewerten oder gar zu verurteilen. Es ist ein Hinweis darauf, was sich weiter entwickeln darf, weiter nichts. Und je mehr wir das beim Musizieren oder Unterrichten oder Proben beherzigen können, desto besser, meine ich, ist es für das Entstehen von kreativen Dingen.
einen herzlichen Gruß,
Felix