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Flageolett auf Streichinstrumenten – wie funktioniert das?

Flageolett? Haben Sie schon einmal davon gehört? Bestimmt, oder? Wer sich mit Streichinstrumenten auseinandersetzt kommt zwangsläufig irgendwann damit in Berührung. Aber was ist ein Flageolett? Wie kommen diese Töne zustande? Warum tippt man dabei nur eine Saite leicht an und es klingt so fein und „flötenartig“?

Erster Ansatz: Beginnen wir einmal mit der Herkunft des Namens. „Flageolett“ wurde eine frühe, in Frankreich gebaute, Form der Blockflöte genannt. Sie hatte vier Grifflöcher vorne und zwei hinten für die Daumen. In der Barockmusik fand dieses Instrument einigen Gebrauch, setzte sich aber nicht dauerhaft gegen die heute immer noch gebräuchliche Form der barocken Blockflöte durch.

Wenn man eine besondere Spielweise auf einem Streichinstrument als „Flageolett“ bezeichnet, kann es sich dabei wohl nur darum handeln, einen Klang zu produzieren, der irgendwie „flötenartig“ daher kommt. Aber was ist „flötenartig“?

Es wird sich um einen feinen vielleicht auch etwas dünnen Klang handeln. Er wird recht konstant klingen und er wird wohl auch nicht vibriert werden, so wie das ja bei Blockflöten auch nicht üblich ist.

Zweiter Ansatz: Kommen wir zu dem Vater vieler mathematischen Grundlagen, die im Altertum herausgefunden und formuliert wurden – Pythagoras.

Dieser Herr fand mit Hilfe eines Monochordes (eines Klangkastens, auf dem eine Saite gespannt war, bereit damit die verschiedensten Experimente anzustellen) heraus, dass eine Saite in ihrer doppelten Schwingungszahl schwingt, sobald man sich in ihrer Mitte am Schwingen hindert.

Noch einmal genau: Stellen Sie sich vor, dass eine Saite einen Schwingungsbauch hat wenn man sie anstreicht oder -zupft. Halten Sie nun genau in der Mitte dieses Schwingungsbauches, also genau auf halber Strecke zwischen den Enden der Saite, einen Finger auf die Saite und hindern Sie sie demnach genau an dieser Stelle am Schwingen, wird sich der Schwingungsbauch in zwei Teilschwingungen aufteilen. In diesen Teilschwingungen schwingt die Saite nun in ihrer halben Saitenlänge. Und Pythagoras fand heraus, dass die Schwingungszahl einer Saite ich dann verdoppelt, wenn sich die Saitenlänge bei gleichbleibender Spannung der Saite halbiert. Und mit diesr Verdoppelung der Schwingungszahl erklingt die Oktave des vorherigen Tons.

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Dritter Ansatz: kommen wir zum Praktischen.

Messen Sie einmal die Länge Ihrer Saiten vom Sattel bis zum Steg. Dies ist die „schwingende Saitenlänge“. Und nun legen Sie genau den Punkt fest, an dem die Saite halbiert ist. Vielleicht machen Sie sich mit einem weichen Bleistift an dieser Stelle eine kleine Markierung auf das Griffbrett. Keine Sorge, der lässt sich leicht wieder weg radieren.

Streichen Sie nun abwechselnd die leere Saite und ihren Flageoletton, den Sie dadurch erzeugen, dass Sie mit dem Finger leicht auf die markierte Stelle der Saite tippen. Sie werden merken, dass die Saite nun vor und hinter dem Finger zu schwingen anfängt. Sie kennen es ja: wenn Sie eine Saite normal abgreifen, dann schwingt immer nur der Teil der Saite, der zwischen dem Finger und dem Steg liegt. Nur dieser Teil wird durch das Anstreichen angeregt.
Streichen Sie hingegen ein Flageolett an, schwingt immer die ganze Saite, und damit eben auch der Teil der Saite, der hinter dem Spielfinger liegt.

Und damit kommen wir auch zu der grundsätzlichen Forderung für das Ausführen von Flageolettönen: die alte Regel, dass die Finger unterhalb eines Spielfingers auf dem Griffbrett liegen bleiben und sozusagen den Spielfinger beim Niederhalten der Saite unterstützen, entfällt!

Tippen Sie bitte nur mit dem Spielfinger auf genau dies Stelle an der sich die Saite halbiert. Nur so kann die ganze Saite schwingen. Übrigens spielt man auf der Geige und der Bratsche das Flageolett gerne mit dem 4. und auf Cello und Kontrabass gerne mit dem 3. Finger. Gewöhnen Sie sich das am besten gleich an.

Noch etwas: Wenn eine Saite in ihrer Teilschwingung erklingt, ist sie um einiges auf Bogendruck empfindlicher als sonst. Streichen Sie also eine Saite im Flageolett an, achten Sie bitte auf einen sehr schnell gestrichenen Bogen, der gleichzeitig sehr leicht über die Saiten streicht. Gewöhnen Sie sich daran dass die Saite wirklich komplett anders unter dem Bogen reagiert als sonst. Sie können auch einmal versuchen die Saite so nah am Steg anzustreichen, wie Sie es sonst nie wagen würden. Sie werden merken, dass nun die Saite sehr schön klar und deutlich klingt.

Probieren Sie es aus!

Und damit wünsche ich ihnen wieder gute Experimente auf Ihrem Instrument.

Felix Seiffert