Geige lernen – wie Sie zu einem gefühlvoll angestichenen Ton kommen

Heute kommen wir zu einem Thema, dass beim Lernen des Instrumentes so wichtig ist, das es mit entscheidet, ob Sie an Ihrem Instrument auf Dauer Freude haben, oder irgendwann resigniert das Handtuch werfen.

Es geht um nichts Geringeres als die Frage, wie Sie es schaffen können, gerade am Anfang Ihres Werdegangs am Instrument zu einem wohlklingenden Ton zu kommen.

Sie haben ja bestimmt auch dieses Klischeebild im Kopf vom kleinen Kind, das die ersten Gehversuche auf der Geige macht, und es kratzt und quietscht dabei fürchterlich. Wenn Sie noch einmal in Ihre Vorstellung gehen, werden Sie auch merken, dass das Kind sehr zögerlich und langsam streicht. Gell das kennt man?

Ja und zum Glück lässt sich diese Sache im Prinzip durch zwei Dinge recht gut gerade am Anfang beheben.

Die erste Sache ist ganz einfach: Sehen Sie zu, dass Sie gerade am Anfang mit dem Bogen recht flott über Ihr Instrument streichen. Streichen Sie nicht zu nahe am Steg, und streichen Sie mit schnellen Strichen. In der Geschwindigkeit, kommen Sie viel Besser an die Tongestaltung heran, als bei langsamem Bogen.

Ich vergleiche das immer gerne mit einem Wasserskifahrer. Wenn der zu langsam wird, dann tragen ihn seine Skier nicht mehr. Er säuft ab.

Nun sind die Auswirkungen beim Streichen nicht ganz so drastisch, aber man könnte schon die Parallele ziehen, und sagen: „Der Ton säuft ab“. Und das tut er buchstäblich. Eine Saite kann nur klingen, wenn der Bogen auf ihr in Bewegung bleibt. Wenn er zu langsam wird, dann bricht der Ton ab, und es kommt zu besagtem Kratzen.

Nun aber zum zweiten Gesichtspunkt, der so wichtig ist, dass sich ihm alleine der heutige Videobeitrag widmet.

Sie müssen es schaffen, die Saite mit Gefühl anzustreichen. Wie schon oben beschrieben, braucht die Saite einen ganz bestimmten Zug des Bogens, aber sie benötigt auch einen ganz bestimmten Druckkontakt des Bogens auf die Saite.

Wir Streicher sprechen dabei allerdings lieber vom „Gewicht“ des Bogens auf der Saite. Redet man von „Druck“ beinhaltet das schon wieder den Gedanken einer gewissen Festigkeit, die wir ja unbedingt vermeiden wollen.

Also: reden wir vom „Gewicht“ des Bogens auf der Saite. In der Tat ist es so, dass wir das Gewicht unseres Arms (aber nicht da ganze Gewicht, das wäre deutlich zu viel) mit dem Bogen auf das Instrument stützen. Hinzu kommt noch, dass wir mit unseren Fingern dabei flexibel bleiben.

Und genau mit diesen besagten flexiblen Fingern sind Sie in der Lage, gefühlvoll genau zu erspüren, welches Gewicht und welche Bogengeschwindigkeit die Saite verträgt. Dies ändert sich nämlich auch je hach Saite auf der Sei streichen und je nach Ton, den Sie greifen.

Und wie das geht, zeigt uns der Videobeitrag.

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Rekapitulieren wir noch einmal die Übung, die uns zum Ziel einer beweglichen Bogenhaltung führt.

  • Halten Sie den Bogen mit zwei Händen. Sie können eine flexible Bogenhaltung einnehmen, weil Sie ihn mit der linken Hand sichern.
  • Legen Sie zunächst nur Ihre Finger auf den Bogen. Dabei sollen alle Finger ihren richtigen Platz auf der Stange finden.
  • Der ausschlaggebende Punkt ist nun, dass die Finger bei unserer Beweglichkeitsübung nicht ihren Platz auf der Stange verlassen. Sie rutschen also weder seitlich, noch in ihrer Länge auf der Stange herum.
  • Probieren Sie nun eine horizontale Beweglichkeit in ihren Fingern zu zu lassen. Am Anfang geht es leichter, wenn Sie den Daumen nicht auf die Stange setzen.
  • Erst wenn Sie ein Gefühl für die Beweglichkeit in den Fingern bekommen haben, dann versuchen Sie das Gleiche einmal mit mit dem Daumen zu machen.

Funktioniert es?

Letztlich geht es darum, dass Ihre Finger so flexibel den Bogen in der Hand haben, dass sie den Widerstand der Saite gegen die Bogenbewegung spüren können.

Wenn der Bogen auf der Saite still steht, hat die Saite einen recht hohen Widerstand. Sie spüren es richtig, dass sich der Bogen erst einmal gar nicht in die Fahrt bewegen will.

Nun passiert beim Losstreichen folgendes: Ihre Finger geben zuerst nach, bis sich schließlich der Bogen löst und in Fahrt kommt. Nun streichen Sie mit gefühlvoll gekrümmten Fingern und spüren den Kontakt des Bogens zur Saite während der Fahrt.

Ihre Finger sind immer dann in der Lage, gefühlvoll auf den Bogen und die Saite ein zu gehen, wenn sie sich selbst nicht durch Druck und Gegendruck der Finger zum Daumen hin behindern.

Lassen Sie sich aber bitte um Gottes Willen nicht beeindrucken, wenn es nicht sofort klappt. Diese Flexibilität ist eine Sache, die in der Regel erst nach einer gewissen Zeit des Übens funktioniert. Auch Ihre Finger brauchen ein gewisses Training um beim Bogenstrich flexibel zu sein.

Aber besser, Sie lenken möglichst schnell Ihre Aufmerksamkeit darauf, anstatt sich nach einem halben Jahr zu wundern warum es auf Ihrem Instrument immer noch kratzt. Oder was meinen Sie?

Machen Sie es gut und viel Vergnügen bei Ihren Übungen.

Ihr Felix Seiffert

6 Kommentare

  1. Meine Tochter fragte mich nach Tipps zum Geige lernen. Ich werde ihr sagen, dass man in der Geschwindigkeit viel Besser an die Tongestaltung herankommt, als bei langsamem Bogen. Es ist ein sehr interessanter Artikel!

    • Felix Seiffert

      Ja das ist vielleicht eine Erkenntnis die sich erst in der Nachkriegszeit herum gesprochen hat. Insbesondere Paul Rolland und auch Sheila Nelson arbeiten nach der Methode, dass sie Kindern zunächst den „Schwungstrich“ beibringen, bei dem der Bogen erst einmal richtig in Fahrt gebracht wird. Hier lässt sich die Bewegung zunächst wesentlich leichter in Ton umsetzten und es ist auch viel kindgerechter. Schaut man sich dagegen Schulen aus dem 18. und 19. Jahrhundert an, beginnen die meist sehr analytisch mit den langen Noten die man langsam streichen muss. Von der Physiognomie der Bewegung her ist das der deutlich schwierigere Weg.

      Viele Grüße an die Tochter und gutes Gelingen.

  2. Hallo 🙂
    Ich fand das Video sehr sehr Hilfreich und überschaubar. Es erinnerte mich sehr an meinen Geigenlehrer, der mir das damals auch gezeigt hatte manchmal auch mit einem Bleistift 🙂 . Ich hätte mal eine Frage im Bezug auf das Streichen. Leider habe ich es bis heute noch nicht ganz geschafft, sauberer 3 oder 4er Akkorde auf der Geige zu streichen ( Bsp Fritz Kreissler Präludium & Allegro ). Es kratzt leider immer noch vom Klang her. Hat dies ebenfalls mit der Bogenhaltung zutun? Offenbar habe ich noch keine wirkliche Lockerung im Handgelenk, so wie es in dem Video zu sehen war. Ich würde mich sehr freuen, wenn sie mir da evtl einen Rat geben könnten 🙂
    Mit freundlichen Grüßen

    Jacky

    • Hallo Jacky,

      Wenn Sie Akkorde brechen, sehen Sie zu, dass das Anstreichen des Tons genauso vor sich geht wie in dem Video beschrieben. Die Finger machen eine Ausgleichsbewegung. Das Wechseln der Saiten geschieht dagen ausschließlich mit dem ganzen Arm. Dies ist eine Sache, die gerne missverstanden wird. Die Finger sind nicht für den Saitenwechsel zuständig, sondern ausschließlich für das Abfedern des Bogenwechsels.
      Wenn Sie sich dann genau klar machen, auf welchen Ebenen der Arm steht, wenn er auf dem einen und dem anderen Saitenpaar streicht und wenn sie genau von der einen zur anderen Strichebene mit dem Arm wechseln, sollte es funktionieren.

      viel Erfolg und viele Grüße

      Felix Seiffert

  3. Monika Holmok

    Hallo, ich habe vor zwei Tagen meine erste Geige bekommen 🙂 seit dem quäle ich die Nachbarn. Naja, ganz so schlimm ist es nicht, im Moment spiele ich auf leeren Saiten und mit Hilfe Ihrer Videos mache ich auch beim Streichen fortschritte 🙂 aber da gibt es eine Sache, die ich bis jetzt noch nicht abstellen konnte. Bei langen strichen fängt der Bogen in etwa in der Mitte an zu „schwingen“ , ja fast schon zu hoppeln. Woran kann das liegen? Ich würde mich freuen von Ihnen zu hören 🙂

    Liebe Grüße
    Monika Holmok

    • Hallo Frau Holmok

      Vielen Dank, dass Sie auf Ihre kleine Schwierigkeit beim Bogenstrich hinweisen. Genau dies, was Sie beschrieben, ist eine Auswirkung einer noch unflexiblen Bogenhaltung. Das ist am Anfang ganz normal: man hält in der Regel den Bogen etwas zu fest, und dann passiert eben dieses berühmte Flattern des Bogens in der Mitte oder der oberen Hälfte.
      Was Sie tun können? Sehen Sie sich das Video noch einmal ganz genau an. Versuchen Sie durch Ihre Finger hindurch ein Gefühl dafür zu bekommen, wie der Bogen an der Saite reibt. Dieses „Hinspüren“ wird schließlich für Sie der Schlüssel zu einem durchgehend wohlklingenden Bogenstrich sein.

      Hoffentlich hilft Ihnen das etwas weiter.

      Mit freundlichen Grüßen
      Felix Seiffert

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