Antwort auf: Umgang mit Blockaden

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#8270
Anonym
Inaktiv

Liebe Gudrun,

Sehr schön, dass du zu uns gefunden hast. Du hast ein spannendes Thema eröffnet.

Eine richtige Blockade hatte ich noch nicht, bin auch erst seit Februar wieder dabei nach 16 Jahren Pause. Aber ich hatte während der letzten Monate einen Frust entwickelt, weil ich intensiv ein von mir ausgewähltes Lieblingsstück geübt habe, und es hörte sich trotzdem nicht schön an. In meinem Fall hatte es mehrere Gründe:

Es klang sehr abgehackt und „gesägt“, daher habe ich intensiv weiche Bogenwechsel geübt und die Gestaltung langer Töne (ohne Vibrato, dass kann ich noch nicht), also Akzente, oder crescendo/decrescendo, usw. Das hat auch geholfen.

Grundsätzlich fand ich den Klang nicht schön. Meine Lehrerin hat dann meine Bogenhandhaltung korrigiert. Ich musste die Finger runder halten, so hatte ich mehr Sicherheit und Stabilität, gleichzeitig war meine Hand lockerer und sensibler dafür, „was die Saite braucht“ (Zitat Felix, dieser Ausdruck ist so treffend). Die neue Haltung musste ich auch intensiv üben, damit die gewohnte automatisierte falsche Haltung nicht mehr die Oberhand gewann, sobald ich mich auf etwas anderes konzentrierte. Das hat mich auch weitergebracht.

Zusätzlich musste ich Lagenwechsel üben. Da bin ich auch ganz gut weitergekommen.

Trotzdem klang das Stück nicht schön. Trotz des wirklich intensiven Übens. Und das hat mich richtig frustriert. Ich habe mich während der vielen Monate immer wieder aufgenommen. Es klang WIRKLICH nicht schön…

Ich glaube ich habe zu oft das Ganze Stück gespielt, statt mich von Anfang an intensiver mit der Intonation zu befassen. Das habe ich nicht intensiv genug gemacht und so habe ich unsaubere Töne einstudiert. Ich hatte einfach zu viele andere Baustellen. Ich konnte das Stück dann zwar durchspielen, aber es waren immer wieder unsaubere Töne dazwischen, und dann klingt es einfach nicht schön. Ich konnte das Stück am Ende gar nicht mehr leiden.

Also hab ich es beiseite gelegt, mit dem Hintergedanken, dass ich es irgendwann wieder hervorhole, wenn Gras über meinen Frust gewachsen ist sozusagen.

Das neue Stück ist wieder ein Stück, dass ich sehr liebe. Hier lasse ich mir Zeit und vermeide es, das Stück zu oft durchzuspielen, sondern ich arbeite intensiv an der Intonation. Übe einzelne Passagen sehr langsam, gleiche Töne mit leeren Saiten ab. Sehr penibel. Mit sehr viel Geduld. Es soll wirklich sauber klingen. Ich trainiere mein Gehör. Das Stimmgerät habe ich verbannt. Ich übe die Passage so lange und so langsam, bis sich meine Finger die korrekten Positionen wirklich eingeprägt haben. Ich laufe dabei in der Wohnung rum (mit meiner Bratsche geht das ja). Werde locker in den Schultern, entspannne meinen Blick und spiele meine Passage mit der Aufmerksamkeit aufs Gehör und in den Fingern.

Und jetzt bemerke ich die Fortschritte. Auch wenn ich mit dem Stück an sich nur langsam wie ne Schnecke vorankomme – aber es wird immer sauberer und klingt dann natürlich auch schöner.

Es ist wirklich eine Freude und jetzt habe ich die Frustphase überwunden.

Ausserdem nehme ich mich nicht mehr auf. Die Handyaufnahmen sind schlecht, das ist doch wie ein verzerrter Spiegel, in dem man gruselig aussieht. Ich werde das nur ganz sparsam einsetzen, wenn ich das Stück ganz gut kann und mit meinem Gehör allein nicht weiterkomme, für den Feinschliff…

Ich denke, du musst dich gut selbst beobachten und herausfinden, was genau dich stört. (Da helfen Aufnahme evtl. doch wieder.) Wo deine persönlichen Baustellen sind. Prioritäten setzen.

Auch ist es wichtig dranzubleiben, denke ich, und keine Pause einzulegen. Das kann natürlich bei jedem anders sein. Ich hatte auch überlegt, ob ich einfach eine Pause brauche. Aber nach einer etwa vierwöchigen Pause durch Urlaub und andere Dringlichkeiten, wurde es auch nicht besser. Das hat mir nicht weitergeholfen.

Also jeden Tag üben. Dranbleiben. Du wirst früher oder späger herausfinden , wie du weiterkommen kannst, wenn du dranbleibst.

Was mir hilft ist ein Bratschentagebuch. Den Tipp habe ich hier im Forum von Katta bekommen. Ich schreibe auf wann, wie lange und was ich übe, im Detail. Ich notiere alle Fragen, Gedanken und Probleme, die auftauchen. So kommt mehr System ins Üben und es hilft herauszufinden, welche Baustelle grade Priorität haben sollte.

Ein weiterer super Tipp hier aus dem Forum kam von Christine, ab und zu einfach ohne Noten „wild“ und ungehemmt draufloszuspielen, was einem grad in den Sinn kommt. Das macht unglaublich Spaß, bringt Lockerheit und man erweitert spielerisch seinen Horizont, was alles möglich ist auf dem Instrument.

Ein weiterer Satz, der mir half, kam von Johannes. Irgendwann komme ich bei einem konkreten Stück an den Punkt, der meinem „aktuellen Gesamtniveau“ entspricht. Das darf man dann auch einfach mal so stehen lassen, denke ich. Und wenn einen das zu sehr frustriert, sollte man diesen Frust nicht ignorieren und betäuben, sondern ihn sich genauestens anschauen und hineinspüren, um die nächste persönliche Baustelle herauszufinden.

Wenn der Weg klar vor einem liegt, dann sind auch wieder Fortschritte möglich. Und die motivieren 🙂

Liebe Grüße und allen einen schönen Sonntag
Sarah