Antwort auf: Musikalischer Ausdruck

Start Foren BogenBalance Forum Musikalischer Ausdruck Antwort auf: Musikalischer Ausdruck

#7525
Katrin
Teilnehmer

Hallo, liebe Katta und liebe Sarah,

erst einmal vielen herzlichen Dank, dass ihr mein/euer Problem mit mir teilt!

Gestern habe ich mir wieder die Etüde, um die es im Unterricht ging, vorgenommen und habe versucht, umzusetzen, was mir meine Lehrerin empfohlen hatte. Diese Etüde besteht aus dem Wechsel von 2 16-tel und einer 8-el Note von Anfang bis Ende, sie hat dadurch einen leichten tänzerischen Charakter. Ich mag sie eigentlich, ich kann das Wesen der Etüde wirklich gut in mir fühlen, aber es gelingt mir einfach nicht, dieses Leichte, Tänzerische auf der Geige auszudrücken.

Hier mal meine unsortierten Gedanken und Erkenntnisse dazu:

Ein Fehler, den ich gleich verstanden habe, war, dass ich für alle Noten annähernd gleich viel Bogen genommen und keinen Unterschied zwischen den kurzen und den längeren Noten gemacht habe. Außerdem habe ich kaum mit Dynamik gespielt. So war das von Anfang bis Ende ein gleicher Brei mit breiten Noten – ok ich übertreibe jetzt sehr, aber so ungefähr…
Was ich auch falsch mache, dass ich einen Bogenstrich von Anfang bis Ende mit gleichbleibendem Druck spiele. Manchmal drücke ich sogar in der Mitte etwas mehr auf, so dass sich etwas wie eine Welle ergibt. Das habe ich auch erst bemerkt, nachdem mich meine Lehrerin darauf aufmerksam gemacht hatte, und das klingt wirklich komisch. Sie hat mit mir mal geübt, z.B. den Ton anzuspielen und während des Streichens den Druck etwas nachzulassen. Das meinte sie mit „den Ton loslassen“.

Das sind alles solche Tipps, die ich gestern versucht habe, umzusetzen. Ich fand mein Spielen dann auch schon viel besser, aber als ich mich wieder aufnahm, hörte ich dann wieder kaum einen Unterschied zu vorher! Ich war ziemlich frustriert und niedergeschlagen und hatte kurz das Gefühl, ich lerne das nie (solche Gedanken darf man nicht zulassen!!). Mich frustriert und irritiert besonders, dass sich mein Spielen in der Aufnahme so viel anders anhört als ich es während des Spielens selbst wahrnehme. Wahrscheinlich trickst mich da mein Gefühl, dass ja in meinem Inneren da ist, etwas aus?

Ich habe mir dann erst einmal ein neues Lied vorgenommen, das ich auch auf der Harfe spiele und total mag (ich habe es im Nachbarthread vorgestellt). Ich will jetzt mal versuchen, mich dem Lied von Anfang an bewusster zu nähern und es mir sozusagen zu stimmungsmäßig „erarbeiten“. Einige Tipps habt ihr dazu ja schon geschrieben. Als erstes habe ich mir 2 Videos angeschaut, in denen Profigeiger es spielen. Mir fiel besonders auf, dass es für mich nicht den Eindruck hat, als folgten sie mit ihrem Spiel einer festen klaren Idee, eher ließen sie ihren Gefühlen während des Spielens freien Lauf. Wunderschön!

Ich habe dann mal genau immer wieder hingeschaut, was sie tun und was das für Auswirkungen auf den Klang und die Stimmung des Liedes hat. Z.B. wie gestalten sie einen Auftakt, so dass er leicht und zart, aber nicht nachlässig zum ersten Takt mit der ersten Betonung überleitet (meine Auftakte klingen viel zu breit und schwer)?
Oder wo verbinden sie die Töne? Ich würde gern heraus bekommen, was für einen Unterschied es macht, ob ich 2 Noten miteinander verbinde oder den Bogen wechsle? Wie gestalten sie die längeren Töne, also kann ich eine längere Note leicht und zart wirken lassen – indem ich sie schon vorm Bogenende ausklingen lasse…
Und ich habe beobachtet, wie die Profis mit laut-leise und verschiedenen Geschwindigkeiten arbeiten.

Ich will jetzt versuchen, mich zu allererst in das Stück hinein zu fühlen. Konkrete Bilder dazu oder eine Geschichte fallen mir schwer, aber brauche ich die unbedingt, oder reicht ein bestimmtes Gefühl – wehmütig, sehnsüchtig, stark und erhaben, leicht und fröhlich, frohen Mutes, schwer und müde …..

Was mir aber genauso wichtig erscheint, sind die technischen Fertigkeiten auf meinem Instrument. Die fehlen mir natürlich noch, nachdem ich erst wenige Monate nach 35jähriger Pause wieder spiele. Meine Bogenhand ist noch ziemlich fest, Vibrato beherrsche ich noch nicht wieder, auch die linke Hand hält die Geige noch ganz schön fest. Das habe ich gestern auch als Ursache ausgemacht, warum bei mir so ein Ton klingt wie der andere. Das ist sicher sehr entscheidend und eine Sache, die erst mit der Zeit besser wird – der leichte spielerische Umgang mit dem Instrument. Es heißt ja auch: „Ein Instrument beherrschen“. Bei meinen Söhnen gab es im Kleinkindalter eine Phase, da haben sie sich beim Reden oft verhaspelt, die Sprache hat sich überschlagen. Da waren Gedanken und Gefühle da, das Umsetzen in Sprache ging aber noch nicht schnell und leicht genug. So ungefaähr ist es jetzt bei mir wohl auch!
Es ist ganz bestimmt so, dass feste Hände und Arme und ein zu fester Körper verhindern, dass Gefühle, die sich in meinem Inneren bewegen, auf meinem Instrument ankommen. Ich habe noch viele Blockaden. Ich versuche nun noch mehr, mich je nach Stimmung mit dem Lied mit zu bewegen – mit einer Geige hat man ja so viel Bewegungsfreiheit. Vielleicht am Anfang auch ruhig mal übertreiben (sieht ja niemand)? Und vorher den Körper und die Arme locker machen?

Man kann aber daran arbeiten! Ich glaube jetzt aber nicht mehr, dass das von heute auf morgen funktioniert, sondern dass das mit der Zeit besser wird.
Da fällt mir gerade ein, dass es mir einmal mit einem Lied auf der Harfe gelang, richtig in einen Flow zu kommen. Das Lied hatte ich für eine Aufnahme zum Verschenken so oft spielen müssen, dass es nachher mitunter wie von selbst lief und ich nicht mehr nachdenken musste, welcher Ton kommt jetzt, wo muss der nächste Finger hin. Ich konnte ganz meinen Gefühlen freien Lauf lassen. Schöne Momente!

Liebe Katta, hast du dich denn inzwischen an deinen Vivaldi heran getraut? Das ist aus meiner Sicht schon ein ganz anderes Niveau. Respekt! Ich wünsche dir viel Mut und Zuversicht und, wie du sagts, trotzdem Freude und Genießen!
Liebe Sarah, ich habe gerade deine Antwort nochmals gelesen. Du sprichst das Thema „Lockerheit“ ja schon an! Ich hatte bereits 2 Jahre, bevor ich die Geige wieder in die Hand nahm, immer wieder das innere Bild, dass ich Geige spiele und sich mein Bogen weich und sinnlich, mit weichen lockeren Handbewegungen über die Saiten bewegt. Durch diese Bild ist meine Lust aufs Geigespielen immer intensiver geworden. Das ist doch ein schönes Ziel!

Euch ganz liebe Grüße!
Katrin