Antwort auf: Lampenfieber

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#6875
Anonym
Inaktiv

Hallo ihre Lieben,

Ein sehr wichtiges Thema!

Früher oder später kommt man als Musiker doch in die Situation, etwas vorspielen zu wollen oder zu sollen 😉 Gerade bei Streichinstrumenten, die so wunderschön im Ensemble oder Orchester mit anderen Instrumenten zusammen klingen, würde einem doch auch viel entgehen, wenn man ausschliesslich ganz für sich allein im stillen Kämmerlein spielt.

Damals als Jugendliche hatte ich große Scheu vor anderen zu spielen. Das ging so weit, dass ich zuhause nie geübt habe, unter anderem weil es mir unangenehm war, wenn meine Familie die schiefen Töne hörte. Als Kind hatte ich Akkordeon gespielt, da sind die Töne immer sauber. Mit der Bratsche brauchte es schon Mut, mit Schmackes auch mal ein paar schiefe Töne zu schmettern. Den hatte ich nicht.

Später im Orchester war es einfacher, da konnte man sich in der Menge „verstecken“. Vor Konzerten war ich aufgeregt, aber es hielt sich in Grenzen.

Jetzt als ich im Januar wieder angefangen habe und die geliehene Bratsche zum ersten Mal in die Hand nahm, da kam diese Scheu von damals wieder in mir hoch. Mein Mann saß im selben Zimmer auf der Couch. Zumal die ersten Töne fürchterlich klangen. Aber dann sah ich, dass mein Mann sowieso in sein Handy vertieft war und gar nicht auf mich achtete. Also hab ich mir gesagt, achte gar nicht auf ihn. Ausserdem kann er so doch meine Fortschritte viel besser bemerken 😉

Neulich hab ich meinen Eltern meine neue Bratsche gezeigt und ein kleines Stück vorgespielt. Ich habs einfach beiläufig gemacht, ohne viel drüber nachzudenken. Mit schiefen Tönen 😉

Das Haupstück, dass ich übe, den Kanon von Pachelbel, werde ich an Weihnachten der ganzen Familie vorspielen. Da habe ich noch genug Zeit. Und auch wenn ich es dann nicht so schön spielen können werde, wie ich es gern hätte, werd ich es trotzdem vorspielen. Obwohl meine Schwester (Akkordeon und Klavier) und ihr Mann (Querflöte) Berufsmusiker sind und „harte Kritiker“, hab ich es mir fest vorgenommen.

Denn ich finde Musik machen für und mit anderen ist etwas ganz Wunderschönes.

Durch die Massen an im Studio perfekt bis ins letzte Detail aufgenommener Musik, an die wir gewöhnt sind, haben wir leicht viel zu hohe Erwartungen daran, wie gut man spielen können muss, bevor man etwas vorspielt. Davon sollte man sich frei machen. Ich persönlich finde live vorgetragene Musik sooo viel schöner, auch wenn einige (oder viele schiefe) Töne dabei sind.

Was mir hilft ist meine Sicht auf und meine Freude an Kindern, die mit Stolz und Inbrunst ein Instrument spielen. Da achte ich nicht auf schiefe Töne und Patzer, sondern ich erfreue mich wirklich an der Musik und an der Leistung, die das Kind da erbringt (für Anfänger ist es doch viel schwieriger ein Stück zu spielen, als für Fortgeschrittene oder Profis). Diese wohlwollende Sichtweise auf musizierende Kindern versuche ich auch auf meinen Blick auf mich selbst zu übertragen 😉 Es geht nicht darum perfekt zu sein, es geht darum Musik zu machen und es zu genießen und andere damit zu erfreuen. Auch am Ende einer jeden Übesession „belohne“ ich mich jedes Mal damit das Stück einfach so zu spielen mit viel Gefühl und Freude, ohne mich groß auf Fehlerfreiheit zu konzentrieren.

Also: uns allen viel Mut mit und vor anderen zu spielen! 🙂

Liebe Grüße
Sarah