Bogeneinteilung

Weist Du, was Bogeneinteilung ist?

Nachdem Du Deine ersten Erfahrungen mit dem Streichen auf Deinem Instrument gemacht hast, wirst Du bestimmt bemerkt haben, dass es gar nicht so einfach ist, die Saite zu einem schönen, warmen Ton anzuregen.

Manchmal quietscht es, manchmal kratzt es, manchmal klingt es gequält; Du kennst das. Wir alle kennen es.

Man muss auf dem Streichinstrument herausbekommen, mit welcher Geschwindigkeit, welchem Gewicht und wo angestrichen eine Saite gut klingt. Ein komplexer Vorgang, wir haben ihn ja schon an anderer Stelle besprochen.

Jetzt stell Dir vor, Du hast für Deinen jeweiligen Ton eine ideale Bogengeschwindigkeit gefunden. (Zunächst ist das eine sehr pauschale Aussage, die wir später durchaus verfeinern. Aber sie dient uns gut als Denkmodell) Jetzt liegt der Gedanke nahe, dass Du kürzere Noten mit weniger Bogen streichst, als längere Noten. So kannst Du auch bei verschiedenen Notenlängen die Geschwindigkeit Deines Bogens beibehalten.

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Und dann sind wir beim Thema Bogeneinteilung

Im Video zeige ich Dir was es mit dem „ganzen Bogen“, auf sich hat. Man streicht vom Frosch bis zu Spitze, mit der gesamten Länge des Bogens. In Noten wirst Du bei solchen Passagen manchmal die Bezeichnung „GB“ finden. 

Gehen wir wieder vom Streichen in der gleichen Bogengeschwindigkeit aus, ergibt sich bei Noten, die nur halb so lang sind, eine Bogeneinteilung mit dem „halben Bogen“.

Setzten wir also in der Mitte des Bogens einen Trennungspunkt, dann reicht die „obere Hälfte“ von der Mitte bis zur Spitze. Die „untere Hälfte“ reicht vom Frosch bis zur Mitte. In Deinen Noten findest Du dafür die Bezeichnung: „OH“ bzw. „UH“.

Es gibt aber noch eine andere Bogeneinteilung

Für noch kürzere Noten gibt es die Einteilung in Bogendrittel. Stell Dir den Bogen in drei Drittel geteilt vor. Der erste Drittelpunkt liegt übrigens recht genau auf dem Schwerpunkt des Bogens. Der  zweite Drittelpunkt dann auf halber Strecke zwischen dem Ersten und der Spitze.

Streichst Du nun in der Gegend zwischen dem Frosch und dem ersten Drittelpunkt, sagt man, Du streichst „am Frosch“ In den Noten findest Du die Bezeichnung „Fr“.

Streichst Du im mittleren Drittel, sagt man, Du streichst in der „Mitte“. Die Bezeichnung dafür ist „M“.

Und wenn Du zwischen dem zweiten Drittelpunkt und der Spitze streichst, dann tust Du es „an der Spitze“. In den Noten findest Du die Bezeichnung „S“.

Wichtiger Punkt am Bogen: der Schwerpunkt

Übrigens gibt es noch eine letzte Bezeichnung für die Bogeneinteilung: „Sp“ bezeichnet keineswegs das Spielen an der Spitze. Diese Angabe wird für das Spielen mit kurzem Bogen rund um den Schwerpunkt benutzt. Liegt der Bogen am Schwerpunkt, ist er bekanntlich rechts und links davon gleich schwer.

Daraus ergibt sich, dass an dieser Stelle sehr wendige Bogenaktionen mit vielen Saitenwechseln oder auch sehr kurzen Strichen möglich sind. Du wirst mit der Zeit diese Stelle lieben.

Eines muss ich Dir aber zu diesen recht genauen Angaben der Bogeneinteilung mitgeben. Die verschiedenen Bereiche, die wir gerade besprochen haben, sind ein abstraktes Modell. Ein Musiker wird beim Spielen nicht ständig die Frage wälzen, in welchem Bereich des Bogens er jetzt wohl spielt. Er wird die Stellen aus dem Gefühl heraus kennen und spielerisch damit umgehen.

Was ich Dir damit sagen will?

Verfestige Dich nicht zu sehr in solchen Regeln. Solange Dir eine klare Bogeneinteilung eine Stütze dafür gibt, den Bogen für Dein Spiel richtig auszunutzen und mit der entsprechenden Bogenmenge schön klingende Töne zu produzieren, ist Dir dies eine Hilfe. Aber die Einteilung ist kein Selbstzweck.

Erste wichtige Regel

Sie bringt Dich aber zu der Regel, die ich jetzt mal ganz kühn als die „erste wichtige Regel für das Spielen von Rhythmus“ bezeichnen möchte.

Diese Regel besagt:

Du kontrollierst die Länge von Noten mit der Menge an Bogen, die Du verwendest.

Wie schon oben erwähnt, ist es dem schönen Ton dienlich, wenn der Bogen in etwa der gleichen Geschwindigkeit über die Saite streicht, egal wie lang die Note ist.

Versuchst Du hingegen, schnelle Noten mit schnellen großen Armbewegungen zu spielen, wirst Du recht bald verzweifeln. Es wird Dir kaum gelingen, den Bogen auf der Saite zu halten, geschweige denn den Ton aktiv zu gestalten. Nein: Bleibe ruhig, mach kleine Bewegungen und Deine schnellen Noten gelingen fast von alleine!

Und die Geschwindigkeit des Bogens?

Aber gibt es denn keine verschiedenen Bogengeschwindigkeiten?

Müssen wir uns denn immer in das feste Korsett der Bogeneinteilung zwängen?

Durchaus nicht!

Wäre es so, dann wäre das Spielen auf einem Streichinstrument eine höchst unlebendige Angelegenheit.

Verschiedene Bogengeschwindigkeiten beeinflussen die Klangfarbe Deines Instrumentes. Und zwar geschieht das im Zusammenspiel mit der „Kontaktstelle“ der Stelle, auf der der Bogen auf der Saite liegt.

Zwischen zwei Extremen findest Du als Spieler die vielfältigsten gestalterischen Möglichkeiten für Deinen Ton.

Zwei Extrembeispiele

Erste Möglichkeit:

Du streichst am Rande des Griffbretts auf Deiner Saite. Probiere es aus. Du wirst merken, dass sich hier der Bogen sehr leicht über die Saite streichen lässt. Die Saite schwingt hier weit aus und bietet dem Bogen kaum Widerstand beim Streichen.

Und was ist das tonliche Resultat? Der Ton wird sehr leicht klingen. Man könnte ihn sogar als dünn bezeichnen. Da der Bogen so leicht über die Saite geht, streichst du auch relativ schnell mit dem Bogen.

Machen wir einen weiteren Test:

Setze nun den Bogen etwa in der Mitte zwischen Griffbrett und Steg auf die Saite. Streiche jetzt los und spüre hinein, wie sich der Bogen jetzt ziehen lässt.

Merkst Du, dass Dir die Saite jetzt mehr Widerstand entgegen bringt? Ja, gell, Dein Bogen wird jetzt von der Saite mehr gebremst.

Du wirst aber auch merken, dass Dein Ton jetzt kräftiger wird. Du streichst näher am Steg und bringst so die Saite dazu gerade den Punkt, an dem sie auf dem Steg liegt, in Schwingung zu bringen. Und dies ist der Punkt, an dem die Schwingung der Saiten auf die Decke des Instrumentes übertragen wird. Wundert es Dich noch, dass die Sache jetzt kerniger und kräftiger klingt?

Und damit kommen wir zu dem anderen Extrem.

Versuche, so nahe am Steg wie möglich zu streichen.

Du wirst sehen, dass es dort richtig Mühe macht, mit dem Bogen „am Ton“ zu bleiben. Der Bogen wird extrem gebremst. Und bist Du nur ein Weniges zu schnell, reißt der Ton ab.

Übrigens ist das eine sehr gute Übung für den flexiblen Umgang mit dem Bogen. Beherrscht Du hier den Ton, wird es Dir weiter am Griffbrett umso leichter gelingen.

Ausblick

Heut hab ich Dir eine ganze Menge Regeln und Möglichkeiten aufgeführt. Wie das bei all solchen Regeln aber ist: sie sind Abstraktionen. Genauso wenig wie bei der Bogeneinteilung wirst Du schematisch bestimmte Stellen auf der Saite mit bestimmter Geschwindigkeit anstreichen.

Nein, aber diese Dinge eröffnen Dir nun die technische Grundlage, auf der Du ein leben lang gestalterisch mit Deinem Ton umgehen kannst. Darum geht es. Werde gestalterisch, und spüre in den Wider stand der Saite hinein. Du wirst hier alle Möglichkeiten finden, Den Ton in die Gestalt zu bringen, die Deine musikalische Vorstellung sich wünscht.

Und damit überlasse ich Dir wieder das Feld mit den besten Wünschen für Dein eigenes Experimentieren und Gestalten.

alles Gute dabei

F. Seiffert

9 Kommentare

  1. Der Artikel erklärt detailliert die verschiedenen Elemente und Merkmale des Bogens und wie diese die Spielweise und den Klang beeinflussen können. Es ist beeindruckend zu sehen, wie präzise Abstimmungen und Anpassungen des Bogens zu einer verbesserten Spielbarkeit und Klangqualität führen können. Wie lange kann es denn dauern bis man den geeigneten Bogen findet und dann kauft?

    • Felix Seiffert

      Hallo Chris,

      na ich würde mal sagen: Die Wahl des Bogens steigt mit den Fähigkeiten und Bedürfnissen des Spielers. Zunächst ist man ja genügend gefordert mit den grundlegenden Stricharten und hat eventuell auch noch ein Leihinstrument. Schreitet man aber weiter voran, wird der Punkt erreicht, an dem man mit dem Bogen unzufrieden wird. Vielleicht springt er nicht so, wie man das gerne hätte. Oder er bleibt bei schnellen Strichen nicht gut auf der Saite liegen und kommt ins „Flattern“. Dann ist der Punkt gekommen, wo es an der Zeit ist, sich um einen eigenen und vielleicht auch besseren Bogen zu kümmern. Wann dieser Zeitpunkt erreicht ist, kann allerdings von Spieler zu Spieler ganz unterschiedlich sein.

      herzlichen Gruß

      Felix Seiffert

  2. Albert Diemberger

    Guten Tag, Herr Seifert

    Ich möchte Sie einfach nur loben, weil ich mir nicht vorstellen kann, daß ein musikliebender Mensch, der Streichinstrumente gerne hört, Ihre Webseite ignoriert. Zu dem Wunsch, selber solche Töne erzeugen zu können, kommen Sie dann mit Ihrem Text, Ihrem Engagement, Ihrer Fachkenntnis und Ihre ureigensten Pädagogik, die sich (gottlob) von anderen Geigenlehrern sehr unterscheidet.
    Ich hatte ein Lebtag lang keine guten Lehrer. Man hat mich nie „abgeholt“ und mir recht unnützes Zeug eintrichtern wollen, wo man doch sehen mußten, daß ich gut höre. Vor allem das Hören, war bei mir immer da. Das Nachmachen erfordert auch Fleiß, den hatte ich nie, zugegeben.
    Heute, mit 80, mühe ich mich um den „Guten Ton“, den ich schon ein Lebtag gut höre, und ich bin sehr froh, daß ich das Internet habe. Sie sind einer der besten Lehrer, das wollte ich Ihnen nur sagen. Ja, es sind noch Andere da, die mir auch zeitweise helfen, nämlich das sofort anhörbar zu spielen, was mir im Moment einfällt. Das ist ein Hohes Ziel, finde ich, denn Melodien im Kopf habe ich wirklich genug.
    Mich freut, daß Sie so schlagend beweisen, daß (fast) jeder Mensch sauber hören kann, dieses Experiment sollte man öfters machen.
    Ja, ich habe auch Musik unterrichtet, im Gymnasium, und ich bedaure heute, daß ich dabei nie die Geige verwendet habe, die ich schon in früher Jugend spielen konnte. Mir waren meine Töne nicht schön genug, heute werden sie es, und das ist eine besondere Freude.
    Liebe Grüße: Albert Diemberger

    • Felix Seiffert

      Guten Tag Diemberger,

      vielen Dank für Ihre lobenden Worte. Ich denke, das ist doch gar nicht so schwierig mit dem Unterrichten, wenn man versucht, die dinge so herunter zu brechen, dass sie in den einzelnen Schritten für jedermann nachvollziehbar sind. Nichts anderes versuche ich hier. Und tatsächlich bin ich der Meinung, dass jeder, der ein Instrument lernen will, zu sehr vielem in der Lage ist, wenn er sich nur der Sache einerseits stellt und zweitens Gedanken weg lässt, die die Sache nur behindern. Solche Dinge wie „ich bin zu alt dafür“, oder „dazu muss man Begabung haben, das kann man nicht lernen“.

      Das ist mir insgesamt das Hauptanliegen.

      Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Freude auch viele gute Entdeckungen an Ihrer Geige

      mit herzlichen Grüßen

      Felix Seiffert

  3. Hallo Felix,
    Dein Artikel hat mir zu einer kleinen Aha-Erkenntnis verholfen, der mir bei einem bestimmten Stück sehr weiterhilft. Die Achtel in dem Stück klangen immer so abgehackt. Um das zu ändern, habe ich folglich versucht sie breiter mit mehr Bogen zu spielen, aber das hörte sich immer schlecht an. Wenn ich weniger Bogen nehme hört es sich tatsächlich besser an. Damit es weicher klingt, reicht es auf weiche Bogenwechsel zu achten. Die Töne dürfen trotzdem kurz sein. Danke fürs Augenöffnen! 🙂 Manchmal sind die Dinge auf den ersten Blick simpel und einleichtend, aber es lohnt sich oft, ganz genau hinzusehen, wie es deine Art ist.

    • Felix Seiffert

      Hallo Sarah,

      vielen Dank für Deinen Kommentar. Ja, die Lösungen sind oft einfacher als man denkt, sehr oft sogar.

      herzliche Grüße

      Felix

  4. Lars Kapitan

    Danke für die vielen Tipps. Wäre es möglich ein spezifisches Video zu machen, wie man den Bogen bei „besonderen Fällen“ einteilt. Ich bin zb. ratlos bei 4/4 takt, wenn innerhalb eines taktes ne punktierte halbe note und eine normale viertelnote steht.
    Vielen dank im voraus.
    Lg lakap

    • Felix Seiffert

      Hallo Lars,

      Mach Dir bitte klar: es gibt Striche, die „aufgehen“. Das heißt: du streichst im Abstrich in der Summe genau die gleiche Tonlänge wie im Aufstrich.

      Andere Rhythmische Modelle fordern einen „ungleichen“ Strich. In Deinem Fall musst Du zusehen, dass Du für die punktierte halbe Note genau so viel Bogen verwendest, wie für das Viertel danach. Du hast dadurch einen schnelleren Aufstrich (falls Du mit Abstrich beginnst).

      Das muss man trainieren. Aber das geht auch. Probier es einmal aus und sieh dabei zu, dass Du nicht zu laut wirst in der schnell gestrichenen Viertelnote.

      herzliche Grüße

      Felix

  5. Rolf Butzelar

    Toll, danke. Hat wieder Spass gemacht, und wieder was gelernt.

    Ich kenne eine gute Geigenschule, ca. 160 Seiten, etwas DIN-A 4. Letzte Auflage wohl 1987 in Kyrillischer Schrift, und in Russischer Sprache. Der Autor lebt noch, ist meiner Geigenlehrerin bekannt. Inna Kogan, s. Youtube.
    Ich spiele erst 3 Monate Geige, beschäftige mich aber schon seit 14 Jahren mit Erwachsenenbildung, und war in mehreren Orten für die VHS als EDV-Lehrer tätig. M.E. das Beste Einsteigerheft, sehr ausführlich, mit vielen sinnreichen Übungen. Es würde mir Spass machen, daraufhin zuwirken, das es in deutsch angeboten wird. Der Autor hat versucht Verlage dafür zu finden, hat aber wohl nur Absagen erhalten. Es handelt sich um S. Shalman, aus St. Petersburg, Russland. Ich hatte es schon mal als PDF-Datei zum Download gefunden, findes es leider aber nicht mehr wieder. Mit freundlichen Grüßen, Rolf Butzelar

    5207050000-664
    ——————– 263-87
    082 (02)-87
    Im Internet kann man

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